Wer braucht ihn nicht?
Ich gehe davon aus, dass jeder einen hat, in der Vergangenheit schon so einige hatte. Gelegentlich hat man ihn schon vergessen, was dann teuer zu stehen kam. Allerdings gibt es keine Garantie, dass es preiswerte ist, wenn man ihn nicht vergisst. Man hat einen, damit man ihn nicht ignoriert, aber schlagartig gedanklich erweitern kann, wenn man bereits unterwegs ist. Er ist Freud und Fluch, kein Freund und dennoch vertraut man ihm bedingungslos. Ihr wisst schon wen ich meine, oder?
Meine Eltern hatten in ihrer Küche eine Stelle, wo er sein Dasein gefristet hat, dabei immer wieder verjüngt wurde. Mein Vater erledigte den Einkauf bei uns und wenn er das tat, dann nahm er ihn mit, den Einkaufszettel, die Einkaufsliste, wie immer man das auch bezeichnen möchte. Es standen dann so banale Artikel geschrieben wie Reinigungsmittel, Waschpulver und was man eben in einem Haushalt so braucht darauf. Irgendwie war er der Einkaufsmeister schlechthin, geradezu für Lacher geschaffen. Wenn er wusste, dass wir aus Berlin anrückten, dann verfuhr er in seiner ganz eigenen Art und Weise und schaffte es immer sieben Taschen voll einzukaufen und dabei aber, das, was auf dem Zettel stand zu vergessen. Ich fand das witzig, weil er so voller Vorfreude war, dass er sich immer vorstellte, was man so alles gemeinsam kulinarisch erleben kann. Familie war groß geschrieben und wenn wir zusammen waren, dann saßen wir alle im „grauen Salon“, aber das ist eine vollkommen andere Geschichte. Er legte dann seinen Einkaufszettel wieder an die gewohnte Stelle zurück, denn abgearbeitet hatte er ihn nicht.
Habt ihr schon mal beobachtet wie das ist, wenn ein Paar zum Einkaufen geht? Nein? Müsst ihr mal machen. Ein Hochgenuss, man kann in ihrem Gesicht erkennen, dass sie den Moment verflucht, da sie ihm gesagt hat, dass sie noch schnell die drei Positionen vom Einkaufszettel braucht und er, ganz der King will ihr beibringen wie einkaufen geht. Nun rechnet er nicht damit, dass seine gute Frau, nicht nur einen Einkaufszettel hat, sondern ganz auf Angebote und ihren Vorratsschrank sensibilisiert ganz genau weiß, was da noch fehlt, das zwar für diesen Tag nicht dringend notwendig ist, aber eben zu Neige geht. Es dauert nicht lange und er meckert, das stünde nicht auf dem Zettel, sie aber kontert, dass das bald alle und gerade im Sonderangebot sei. Je mehr man sich der Kasse nähert und der Wagen dabei voller wird, desto grimmiger sind ihre Gesichter, sie nimmt sich vor ihn nie wieder mitzunehmen, er muss sich seine Niederlage eingestehen und schwört sich sehr wahrscheinlich, dass er nie wieder mitgehen wird.
Hier, bei mir liegt auch ein Einkaufszettel und zwar einer auf dem gesammelt wird und zwar frühzeitig. Ich für mich habe, wie wahrscheinlich alle Frauen, das System, dass in dem Moment, wenn das letzte Päckchen Zucker umgefüllt wurde, das letzte Paket Mehl, ungefähr noch 10 Tabs da sind, dass ich das dann auf den Zettel schreibe. Das ist einfach so, wenn ich das letzte Kilo Mehl umgefüllt habe, dann reicht das eine Weile und es ist ausreichend Zeit für den Nachkauf. Das ist der Vorratszettel, dann gibt es noch den akuten, das ist einer wie ich ihn gestern hatte. Es gab einen Gemüsetopf mit Paprika, Zucchini, Tomate, Zwiebel, Champignon, ihr kennt das wie das ist. Entstanden ist die Idee, weil noch einiges da war, aber eben nicht alles. Also bin ich los, mit einem neuen Zettel. Da stand nicht sehr viel darauf und ich habe auch alles bekommen, ich habe nie einen Schreiber dabei, dass ich die Positionen ausstreichen kann, aber von meiner großen Tochter gelernt, dass man das Papier dann bei Tomate einreißt, wenn man Tomate im Korb hat. Geht genauso gut wie ein Stift. Nun ich habe dann noch dies und das gesehen, jenes und alles und da ich mit einem Kartoffelporsche einkaufen gehe, den ich selten überfülle, das kommt nur gelegentlich vor, gestern nicht.
Je älter man wird desto wichtiger wird ein Einkaufszettel. Ehrlich, wer kann sich mehr als drei Artikel merken, früher da ging das ohne Probleme, was nicht bedeutet, dass nicht immer mehr im Einkaufswagen war, als das, was notiert war. Heute neige ich dazu fast panisch zu werden, wenn ich schon unterwegs bin und merke, was Gott sei Dank nur selten vorkommt, dass ich ihn zu Hause gelassen habe. Ich versuche zwar mich dann irgendwie an das, was wirklich wichtig ist, zu erinnern, aber nö von drei Artikeln fällt mir vielleicht einer ein, aber mein Kartoffelporsche wird trotzdem voll. Merkwürdig.
Ich wünsche Euch einen tollen Wochenendeinkauf, vergesst ihn nicht, den kleinen Freund, eure Gedächtnisstütze für all die anderen Artikel, die nicht darauf stehen. Genießt es einzukaufen, ärgert Euch nicht über die, die im Weg herumstehen, die habe ihn bestimmt zu Hause vergessen und müssen von Zeit zu Zeit nachdenken und manchmal geht laufen und denken scheinbar nicht und man muss den Wagen mitten im Weg stehen lassen, ganz nah an die Regale ran, vielleicht kommt da dann eine Eingebung, ein Blitz, ein Donner und alles fällt einem schlagartig wieder ein. Egal wie auch immer, egal was ihr kauft, was ihr auf den Tisch stellt: Laßt es Euch gut gehen.