Die Uhr tickt…
Froschgrüne oder zitronengelbe Autos kreuzen in Massen den eigenen Weg, wenn man sich gerade ein solches Auto gekauft hat. Wenn man eine Grippe hat, liest man in jeder Zeitung wie man Grippe gerade jetzt verhindern kann. Und wenn man liest die biologische Uhr tickt, dann fühlt man sie bei sich selbst ungemein schnell loslegen. Wenn man … nein ich zähle nicht weiter auf, weil dieses Gefühl jeder kennt dass ausgerechnet dann, wenn man selbst, dann alle anderen auch. Dabei ist das Unsinn, weil es genauso viele Autos in froschgrün gibt und der Artikel wie man eine Grippe umgehen kann, auch dann erschienen wäre hätte wenn man selbst nicht betroffen ist. Allerdings die Sache mit der biologischen Uhr scheint mir ganz vertrackt, sie tickt immer vor allem dann, wenn andere etwas haben, was man selbst nicht hat.
Doch ich habe Kinder, erwachsene Kinder, na ja teilweise erwachsene Kinder. Aber ich habe keine Enkelkinder und es scheint mir als habe meine biologische Großmutteruhr begonnen zu ticken. Ticktack, ticktack, Überall wo ich hinschaue sind meine Freunde und gute Bekannte Großmütter, oder werden es gerade zum ersten oder gar zweiten oder dritten Mal. Und ich? Ich nicht und da scheint lange noch nichts in Sicht, weil die eine noch zu jung ist und die andere Tochter noch nicht über eine dauerhafte finanzielle Sicherheit verfügt. Aber ich sehe um mich herum lauter Großeltern, sogar in der Stadt wo mir völlig fremde Menschen gerade stolz Kinderwagen spazieren schieben, in denen ganz sicher nicht ihr eigenen Kinder liegen. Ich kann es nicht vermeiden meine Augen stielartig auszufahren um einen Blick in die Kinderwagen zu werfen.
Meine biologische Großmutteruhr hat also begonnen zu ticken. Wann, wo und warum ich weiß es nicht mehr, aber diese Feststellung traf mich hart. Das muss ein Virus oder eine Bakterie sein von der man schlagartig befallen wird und die man nur schwer, eigentlich nie mehr richtig los werden kann. Vor zwei Jahren war ich noch frei von jedem Virus dieser Art, frei von jeder Art Großmutterbakterie. Nein, da wollt ich keine Großmutter, oder Oma oder Omi sein. Da fand ich meine Kinder, wenn ich aber ehrlich bin mich selbst zu jung.
Sie macht jetzt aber ticktack, ticktack, diese blöde Uhr, die man nicht wie einen Wecker ausschalten kann. Ticktack ticktack …..Es interessiert sie nicht wie alt meine Töchter sind, ob sie schon bereit dafür sind selbst Mutter zu sein. Meine Uhr kümmert das auch nicht.
Eine moderne, pfiffige Oma zu sein kein schlechter Gedanke. Früher trugen ältere Frauen meist schwarze Kleidung, die allenfalls mal von weißem Blümchenmuster unterbrochen war. Das Ende der Röcke und Kleider war irgendwo bei der Wade zu finden. Die Haare waren ungefärbt, irgendwo am Kopf zusammengepfercht, am Vorderkopf wurden mit dem Brenneisen, das im Herd erhitzt wurde mühsam und manchmal schmerzhaft Locken geformt. Ein Haarnetz hielt die Pracht, dass kein zufälliger Windstoß diese zerstören konnte. Im Haus trug Oma Schürze und Hosen waren nie ein Thema.
Heute tragen die Omas Jeans, Shirts und lila Chucks, wenn diese in Mode sind. Sie haben Kurzhaarschnitte, lackierte Fingernägel und gefärbte Haare. Sie sind locker und entspannt im Umgang mit ihren Enkeln und sie machen allerhand Blödsinn, den sie mit ihren eigenen Kindern niemals gemacht hätten. Es ist das Privileg der Großeltern das zu tun was die Eltern nicht tun können.
Nachdem der Virus oder die Bakterie, egal, also was immer es auch war sich in mir festgesetzt hat, begann er sich zu vermehren und zwar so lange bis ich begonnen hatte zuerst in die Kinderwagen zu schauen, natürlich nicht offen, sondern schielend bis die Augen schmerzten, dann mir die Auslangen der Kindermodengeschäfte angeschaut habe und mich in der Spielwarenabteilung des Kaufhauses wiedergefunden habe. Da stand ich dann, fragte mich ob ich nun völlig durchgeknallt war.
Als mir dann eine Freundin erzählte, dass sie zum zweiten Mal Oma werden würde, wurde mir schlagartig klar wieso ich mich in der Spielwarenabteilung wiedergefunden habe: Schuld war meine biologische Großmutteruhr. Ticktack…
Oh, ich werde eine gute, wenn auch ein wenig verrückte Oma sein, die ihrem Enkelkind Schokoladeneis geben und sich über den verschmierten Mund köstlich amüsieren wird. Obwohl ich meinen Kindern meist Vanille- oder Erdbeereis gegeben habe, weil Schokoladeneisflecken sind bis ans Ende aller Tage zu sehen sind. Aber mal ehrlich sieht so eine Babyschnute, die mit Schokoladeneis verschmiert ist nicht zum Knutschen aus? Ich würde meinem Enkelkind liebend gerne das erste Mal Spinat füttern, werde darauf ganz gespannt sein, wie weit es diesen spucken kann, wenn es ihn nicht mag. Das natürlich in der Küche seiner Mama. Im Essen matschen dürfen ohne als senil eingestuft zu werden, ein Hochgenuss. Babybreis zu kosten ebenfalls. Mein Geheimrezept „Bananenbrei“ zubereiten dürfen, Griesbrei kochen, da läuft mir das Wasser im Munde zusammen. Beim Windel wechseln Blödsinn machen. Das Baby beobachten, wenn es schläft, mich mit ihm zu beschäftigen, wenn es wach ist. Es riechen und dabei gleich vergleichen, ob es genau wie seine Mutter, meine Tochter, riecht. Einen Mann zu Recht Opa nennen und ihm zuschauen, wenn er sein Enkelkind stöhnend und ächzend auf seinem Rücken auf den Knien robbend durch die ganze Wohnung trägt, welch eine Wonne, hätte er nur mal mehr Sport gemacht. Er wird basteln und bauen, stundenlang, kaputte Spielzeuge reparieren ohne Ende. Wenn wir nachts dann mal raus müssen und ein Schrei durch die Wohnung hallt, dann sicher nur deswegen weil wir auf einen vergessenen Baustein getreten sind.
Dasein, wenn man uns braucht, ich höre es schon „Oma, kannst du mal…“ Wow! Bin ich verrückt geworden? Nein, ich bin nicht verrückt geworden, folge einfach dem Lauf der Zeit, höre auf meine biologische Uhr, die mir jetzt sagt, dass es langsam an der Zeit ist, ticktack.. Kinder, ich bin bereit, macht hinne!