Die ewigen Mahner
Nachdem wir nun meine Schwiegermutter zu uns genommen haben, sollten sie langsam verstummen, die ewigen Mahner. Aber ewige Mahner verstummen nie.
Mahnen, Aspekte vor einer Entscheidung von allen Seiten betrachten, notwendig undgeradezu unverzichtbar. Man muss ja nicht gerade Mahnen, man kann einfach nur seine Meinung sagen, wenn sie gefragt ist. Gelegentlich tut man das auch ungefragt, auch das ist vollkommen in Ordnung. Wenn meine Kinder mich nach meiner Meinung zu einem bestimmten Problem fragen, dann werde ich sie ihnen sagen. Manchmal sage ich ihnen meine Meinung auch ungefragt, ich wäre nicht ich täte ich das nicht, aber ich hoffe mal, dass ich nicht zu den ewigen Mahnern gehöre, die ihre Mitmenschen immer nur runterziehen. Ich gehöre auch nicht zu den Menschen, die sich hinterher dann auch noch hinstellen und mit erhobenem Finger feststellen, dass sie es doch immer gesagt hätten, dass das, was auch immer, schief gehen muss. Vielleicht ist das einfach eine menschliche Eigenschaft, eine grauenvolle.
Genauso schlimm wie die ewigen Mahner, sind die Nebensatzmahner, die ihre Mahnungen in Nebensätzen einbauen und sie dann abschießen, kleinen Giftpfeilen gleich. Wie feine Nadelstiche schlagen diese dann ein. Man nimmt diese Einstiche in Form der Nebensätz wahr, wahrscheinlich weil man bei diesen Themen ein sehr sensibles Ohr entwickelt hat. Ich höre sie diese Nebensätze und gestehe, dass ich mich unendlich darüber ärgern kann.
Im Moment begegnen wir diesen ewigen Mahnern, ebenso wie den Nebensatzmahnern immer noch und ob wir es wollen oder nicht, wir bekommen es immer zu hören, dass das alles noch schlimmer werden würde, vor allem dann wenn wir mal eine Episode erzählen über die wir längst schon lachen können. Ich verstehe das dann nicht, dass während wir herzlich lachen, sie eher süffisant lächeln und dabei ihre unerbetene Mahnung kund tun.
Allen Mahnern, Nebensatzmahnern und negativ denkenden Menschen möchte ich nun das sagen:
Ihr lieben ewigen Mahner und Nebensatzmahner nehmt bitte zur Kenntnis kein Mensch kann dieses ewige negative Gequatsche auf Dauer ertragen. Nehmt zur Kenntnis, dass wir wissen was wir tun, dass ich weiß was ich tu. Es ist nicht die erste Berührung in meinem Leben mit einem Menschen, der an Demenz erkrankt ist. Lange bevor andere es bemerkt haben, habe ich die ersten Anzeichen richtig gedeutet, wusste, dass es nichts damit zu tun hatte, dass sie begonnen hatte schlecht zu hören. Ich weiß wie der Verlauf sein kann, weiß was ich wann tun muss. Ich bin erwachsen, kein pubertierendes Gör mehr. Lasst doch euer blödes Geschwätz und geht dazu über die Leistung anzuerkennen, die dahinter steht und noch dahinter stehen wird. Oder seid ihr etwa neidisch, weil ihr selbst nicht wisst was mit euch passieren wird, wenn die Demenz vielleicht bei euch ankommt? Dieser Fall muss nicht eintreten, aber immerhin es könnte ja möglich sein. Ein wenig neidisch seid ihr doch schon, wenn ihr seht, dass da eine Frau ist, die in ihrer Familie aufgenommen wird, die betreut und versorgt wird. Werdet ihr das auch einmal sagen können?
Ihr, die ihr mich kennt, vergesst nicht, dass ich ein krankes, schwer behindertes Kind groß gezogen habe. Es ist natürlich ein großer Unterschied ob ich das tue oder eine alte Frau in ihrer Demenz begleite, keine Frage, das weiß ich auch. Ihr wundert euch laut, dass ich meinen besonderen Sohn in ein Heim gegeben habe, aber das bei meiner Schwiegermutter nicht tue. Natürlich nicht, denn es ist ein Unterschied, ob ich einen jungen Menschen in seine soziale Unabhängigkeit gehen lasse oder einen alten Menschen, der sich nicht mehr wehren kann, einer immer größer werdenden Abhängigkeit von fremden, gestressten Menschen überlasse, die angesichts der Menge an Patienten, die sie betreuen müssen, keine Zeit für den einzelnen Menschen haben werden. Mein Sohn hatte eine Chance sich zu entwickeln, noch einen Schritt weiter zu gehen als er es bei mir zu Hause hätte tun können. Meine Schwiegermutter hat diese Chance nicht, sie wird mehr und mehr rückwärts gehen, mehr oder weniger schnell.
Ich will es nicht mehr hören, wir als Familie wollen nicht mehr hören, was da alles kommen könnte. Wir lassen es auf uns zukommen, werden sehen wie das weiter gehen wird. Vielleicht kommen wir ja an einem Punkt an, in dem wir sagen, dass wir die Pflege nicht mehr leisten können. Dann werden wir uns gegenüber ehrlich sein, zugeben, dass die Grenze erreicht ist. Dann wollen wir immer noch nicht hören, dass ihr das ja alles schon gewusst hättet. Haltet eure Klappe, tut uns den Gefallen. Wenn ihr schon nicht die Leistung anerkennen wollt, dann behaltet den Rest auch für euch.
Das gilt übrigens nicht nur für unsere Mahner und Nebensatzmahner, sondern für alle die, deren Grundeinstellung eher negativ als positiv, deren Glas eher halb leer als halb voll ist. Merkt euch unser Glas ist immer halb voll und wir werden das schaffen.