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Offener Brief an den Bürgermeister von Malia, Herrn Zacharias Doxastakis

Sehr geehrter Herr Doxastakis,

ich habe zwei Wochen in Malia verbracht und dabei erleben müssen wie sehr sich der Ort seit 1991 verändert hat. Leider zu seinem Nachteil. Natürlich weiß ich, dass die Zeit nicht stehen bleibt und nicht immer gerät eine Veränderung zum Vorteil. Ich weiß es ist Krise, aber so schlimm kann keine Krise sein, dass man seinen Heimatort so vor die Hunde gehen lässt. Das ist nicht allein meine Meinung, sondern auch die Ihrer Bürger, denen ich versprochen habe Ihnen diesen Brief aus meiner Sicht, der einer Touristin, zu schreiben und glauben Sie mir, so wohl dabei fühle ich mich dabei nicht.

Malia, Stalia und alles was dazu gehört liegen in einer wunderschönen, sehr fruchtbaren Region Kretas. Wer einmal durch die Altstadt mit offenen Augen gegangen ist, kann sehen mit wie viel Liebe die Einwohner ihre Häuser, Balkone, Freiflächen mit Grün bepflanzen, was sie in Tontöpfen an den Häusern hochziehen, davorstellen, hegen und pflegen, welche Blütenpracht die Straßen mit Farbe füllt. Ich habe, im Hotel, in den Tavernen, die ich besucht habe, viel mit Einheimischen, Ihren Bürgern, gesprochen. Wir haben nicht nur über die allgemeine Krise gesprochen, sondern auch darüber was aus Malia, Stalia und Umgebung geschehen ist. Sie alles sind sich einig die Krise kam, weil Politiker viel zu spät begonnen haben das zu tun, was sie hätten tun müssen, sie obendrein alle korrupt sind, für Malia selbst sagen sie, dass sie nicht verstehen weshalb Sie nichts unternehmen, warum Sie Malia nicht aus der Partyhochburg zurück zu dem führen, was es einmal gewesen war: ein zauberhaftes kleines Dorf.

In diesem Zusammenhang wurde ich gefragt wo all die Deutschen geblieben sind. Nun diese Frage kann ich nur spekulativ beantworten: 1991 war ich mit meinen, noch kleinen Kindern da, das würde ich heute nicht mehr tun, das sage ich ganz offen. Malia wurde inzwischen zu einer Partyhochburg für trinkende, junge Briten. Familien bringen möglicherweise nicht den Umsatz wie diese Touristen. Aber muss der Preis für die paar Euro mehr so hoch sein? Der Lärm, den Gestank und den Dreck in Form von ausgespuckten Kaugummis, den diese junge Menschen verursachen, man kann nicht nachvollziehen, dass Sie dem keinen Einhalt gebieten können oder wollen. Sie fahren auf Quads, drehen dabei auf bis zum Anschlag, sind ohne Helm und mit Sicherheit auch alkoholisiert, mal allein auf dem Quad, mal zu zweit, mal als einzelnes Quad, mal in einem Rudel von mehr als vier und mehr Fahrzeugen permanent durch Malia fahren, egal ob die Einbahnstraße in falscher Richtung oder ob durch die Fußgängerzone, ist geradezu abartig. Der Lärm und Gestank ist schlimmer als der auf der Heerstraße während der Rush Hour, wenn alle fünf Fahrspuren offen sind und Auto an Auto fährt. Ich habe gefragt warum sehe ich keine Polizei? Die Antwort war die, dass ich gefragt wurde wie in meinem Land Strafzettel eingetrieben werden würden. Für Malia ist die Lösung ganz einfach: Verlangen Sie, dass die Vermieter mindestens 300 Euro Kaution verlangen und dass sie ihre Fahrzeuge deutlich kennzeichnen müssen. Dann sollte es kein Problem sein, dieses Geschehen einzudämmen, wenn am Ende von der Kaution die Strafzettel abgezogen werden. Sie muten Ihren Bürgern eine Menge zu.

Eine einfache, aber sehr effektive Lösung. Das Kaugummi, das so unschön aussieht auf den Gehwegen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das gut heißen, aber wenn die Polizei jemanden beim Ausspucken erwischt, dann als Sofortmaßnahme das eigene ausgespuckte entfernen lassen und die festgetretenen von dem Quadratmeter Gehwegplatte drum herum auch gleich. Klingt drastisch, darf es sein, weil ich es nicht nur als eine Missachtung Ihres Heimatortes und seiner Menschen ansehe, wenn jemand sein Kaugummi darauf spuckt, sondern weil das unschön aussieht und obendrein eklig ist, vor allem auch dann, wenn man in einen frischen, eben ausgespuckten, tritt.

Der Disco-Lärm, der bis in die Häuser hinein zu hören ist. Zugegeben mich hat das nicht gestört, ich war aber auch nur zwei Wochen da gewesen und ich muss dort nicht leben. Es geht nicht darum, dass Partys unterbunden werden sollen, wer schlägt in seinem Urlaub nicht gerne auch mal über die Stränge? Aber das, was in Malia abgeht, sei schlimmer als beim Ballermann auf Mallorca wie mir mein Sitznachbar im Flugzeug auf dem Weg nach Hause glaubhaft versichert. Haben Sie den Ehrgeiz schlimmer als der Ballermann sein zu wollen, den, wenn ich richtig informiert bin, meine eigenen Landsleute versuchen für sich zu halten. Ich finde das eine, das in Malia, genauso beschämend wie das in Mallorca und kann verstehen, dass der Vize-Bürgermeister plant dem Treiben dort Einhalt zu gebieten. Ich kann es verstehen. Eine einfache Lösung für Malia: Von Montag bis Donnerstag spätestens ab Mitternacht oder eine Stunde später, muss der Pegel herunter gefahren werden, das Wochenende, beginnend am Freitag, dann später bis vielleicht 2 oder 3 Uhr.

Ich möchte Ihnen keine Vorschriften machen, das steht mir absolut nicht zu. Ich möchte nur nicht meckern, ohne zuvor über eine Lösung nachgedacht zu haben. Ich mag die Meckerer nicht, die immer nur sagen so nicht und so nicht, aber dabei selbst keine Ideen haben, wie etwas geändert werden kann. Diese jungen, oft alkoholisierten Briten sind kein Aushängeschild für Malia und selbst die älteren Briten, mit denen ich mich unterhalten habe, schämen sich für die jungen Vertreter ihrer eigenen Nation.

Sie haben einen Hafen in Malia. Wir haben gefragt, ob der Hafen in Betrieb ist, ob er aktiv ist, es scheint ein Ärgernis zu sein, dass dieser brach liegt, dass er nicht ausgebaut wird, dass Yachten samt Besitzer angelockt werden. Ich gebe zu, dass ich keine Ahnung habe, was es kosten würde die Hafenanlage flott zu machen, den Hafen attraktiver zu gestalten. Ich weiß auch, dass Banken derzeit kein Geld geben, aber ich bin mir fast sicher, dass es irgendeine Lösung geben wird, die Menschen vor Ort sind findige, kreative Menschen. Da geht etwas.

Ich, als Deutsche, wurde mit offenen Armen empfangen, mehr noch, nach all den Gesprächen, über die Krise, über Steuern, über die Durchführung der Zahlungen von Strafzetteln, Steuern für Unternehmen und der Prüfung derselben, das Erheben sinnloser Steuern und manchmal auch Eintreiben derselben, habe ich mich mit einigen Ihrer Bürger unterhalten, über Buchhaltung, über all das, was mein Land am Laufen hält, auch in schlechten Zeiten, auch in Krisen und all das wurde staunend zu Kenntnis genommen. Am Ende wurde ich gefragt, ob man ihnen nicht mal Leute schicken könnte, die zeigen wie es geht, die schulen, die erklären, die helfen ein laufenden, funktionierendes System aufzubauen. Ist das nicht beschämend? Für mich beschämend. Ich habe mich nicht gut dabei gefühlt habe, weil ich nicht die „perfekte Deutsche“ sein wollte, die ich nicht bin. Niemand ist perfekt, kein Land ist das, meins auch nicht. Aber es bezeichnend, dass die Menschen Ihres Landes aus dieser verfluchten Krise kommen wollen und bereit sind sich dahingehend zu öffnen, dass man in ihre innersten, finanziellen Bereiche gucken darf, was an Steuern geht und was nicht und ich sehe dabei ein, dass einiges wirklich nicht geht und das muss berücksichtigt werden. Aber wenn mir am Ende meines Besuches als Geschenk drei Olivenbäume, mit der Bedingung, dass ich sie selbst abernten muss, was in Ordnung ist, angeboten werden, dann meine ich, darf ich das Auszeichnung verstehen, nicht nur deswegen, weil ich mich für die Produktion von Olivenöl und für Olivenöl selbst interessiert habe.

Mir wurde erzählt, dass Politiker nicht zuhören, dann fangen Sie damit an, gehen Sie durch Malia, und Stalia und sprechen mit den Menschen. Ich möchte wieder kommen, wer weiß vielleicht bereits zur kommenden Olivenernte. Ich möchte wieder kommen, weil ich Menschen kennen gelernt habe, die ich sehr respektiere, die ich mag und die ich wieder sehen möchte. Beenden Sie die Party, führen  Sie Malia/Stalia, diese Region wieder zu dem, was es mal gewesen war: ein wunderschöner Küstenort, wo man mit seinen Kindern gerne Urlaub macht und wo man auch Party feiern kann, ohne in einer Partystadt zu sein.

Gitta Becker

 

2 Kommentare zu „Offener Brief an den Bürgermeister von Malia, Herrn Zacharias Doxastakis“

  • Was sie bewogen hat, diesen Brief zu schreiben, wird immer Ihr Geheimnis bleiben. Ich verstehe Sie jedenfalls nicht! Mir war es fast peinlich, die Ratschläge zu lesen, die Sie glauben, dem Bürgermeister eines griechischen Dorfes nach Ihrem Urlaubsaufenthalt geben zu sollen. Typisch deutsch, sag ich mal.

  • Gitta says:

    Was mich bewogen hat, steht in dem Brief geschrieben und ist dort zu lesen. Ob Ihnen das peinlich ist oder nicht, mein Gott… Ich persönlich hätte es abartig gefunden ein gegebenes Versprechen nicht einzuhalten. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass Sie bei den Gesprächen anwesend waren und beurteilen können was Konsens gewesen war. Typisch deutsch wäre es, nur zu meckern, schwarz zu sehen und keine Idee zu haben.

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