Nie wieder
Es ist geschafft. Das letzte meiner drei Kinder ist mit der Schule durch, das letzte Schulbrot zur letzten schriftlichen Abiturprüfung geschmiert. Das letzte Mal gezittert wie es denn laufen würde. So froh ich nun bin, dass sie diesem Schulsystem entronnen ist, so wehmütig bin ich auch. Sie ist (fast) erwachsen und ich werde alt. Ist so.
Jahrelang habe ich beobachten können wie es irgendwie immer schlechter wurde in der Schule, nicht die Leistungen meiner Kinder, sondern der Rest. Habe erlebt wie Pisa die Atmosphäre beeinflusst hat, wie Pisa Panikbeschlüsse am Ende heraufbeschworen hat, die ich nicht gut heißen konnte. Anstatt damit anzufangen die Klassen in den unteren Stufen drastisch zu verkleinern, hat man oben angefangen, neue Prüfungsfächer eingeführt hat, ohne sich die Anforderung hierfür im Vorfeld zu überlegen. Ein Baum wächst schließlich auch von unten nach oben und nicht umgekehrt. Was nutzt es fünfte Prüfungskomponenten einzuführen, wenn durch zu hohe Klassenstärken ganz unten Schüler verloren werden, die einfach nur eine Schwächeperiode hatten?
Meine Töchter hatten beide ihre Schwächeperioden. Eine der beiden bekam lediglich die Empfehlung für die Realschule, sie bekam zwei Jahre zuvor in einem anderen Bundesland die Empfehlung für das Gymnasium, während die andere bis zur E-Phase im Dornröschenschlaf war und plötzlich von alleine wach wurde. Die Empfehlung zur Realschule habe ich ignoriert, weil diese Empfehlungen, mit Verlaub gesagt, nicht das Papier wert sind auf dem sie geschrieben sind. Sie gehören umgehend abgeschafft. Es ist schade um jeden Baum, der deswegen dran glauben musste. Müll, nicht mehr und nicht weniger. Es sind meine Kinder und ich weiß was sie zu leisten im Stande sind und was ich ihnen zutrauen kann.
Sie saßen also in den wichtigsten Entwicklungsphasen ihres Lebens und ihrer schulischen Laufbahn in Klassen, die zahlenmäßig eindeutig zu groß waren und mich an Legebatterien erinnerten. Übertrieben ausgedrückt konnte die Lehrkraft da vorne kaum jeden Schüler beim Namen kennen, vor allem dann nicht, wenn der oder die Schülerin zwar gute Arbeiten schrieb, aber ansonsten ziemlich ruhig im Unterricht war. Natürliches Ausleseverfahren nennt man das wohl, oder? Und um gleich den Unterrichtsausfall abzuhandeln: addiere ich den beider Mädchen zusammen, dann komme ich locker auf ein komplettes Schuljahr, wenn das ausreichend ist! Und bitte einen fachfremden Lehrer hinzustellen, der absolut keine Ahnung hat was sein Kollege gerade besprochen hat, das ist kein Unterricht. Das nenne ich trotzdem einen Ausfall. Ganz schlimm fand ich, dass bei meiner Großen fast ein komplettes Semester ihres Leistungskurses ausgefallen war. Die Unterrichtsausfälle sind eine große Katastrophe. Natürlich gefallen Ausfallzeiten den Schülern, außer wenn sie in wichtigen Fächern in der Oberstufe stattfinden.
Wir sind als Familie auch ein oder zwei Mal (oder öfter?)zwei Tage vor Ferienbeginn losgeflogen. Nicht weil der Flug da billiger gewesen war, sondern weil es organisatorisch einfach nicht anders möglich war. Lehrer scheinen dies aber auch zu tun, denn es waren immer bestimmte Lehrer, die zufälligerweise in der Woche vor den Ferien krank geworden waren. Seltsamer Zufall, oder? Heute wird Jagd auf Eltern gemacht, die ihre Kinder zwei Tage vor Ferienbeginn aus der Schule nehmen. Es wird in verschiedenen TV-Magazinen breit getreten. Wird bei Lehrern auch genauer hingeschaut? Sehen wir das doch locker: was ist schon dabei, wenn es mal vorkommt und es nicht immer die gleichen sind? Was regt man sich über so einen Mist auf? Liebe Leute kümmert euch um wesentliche und wichtige Dinge wie eine gute und angebrachte Bezahlung angestellter Lehrer, um kleine Klassenstärken, um viele und interessante AGs, bessere Begabtenförderung sofern die Begabung eines Kindes wirklich erkannt wird, da ist erst einmal genug zu tun. Auch solche einfachen Dinge wie Hygiene, also saubere Klassenräume, saubere Toiletten, Klopapier, das man nicht peinlicherweise beim Lehrer einfordern muss, saubere, täglich gereinigte Klassenräume und vieles mehr. Einfach mal nur die Grundrechte der Kinder beachten, dann kommt das andere auch.
Meine Töchter begegneten Lehrkräften, die sich von ihren Schülern unterbuttern ließen, während andere Lehrkräfte die gleiche Klasse locker im Griff halten konnten. Woran lag das? Am Elternhaus, das versagt? Daran, dass Eltern sich nicht kümmern? Oder daran, dass Eltern ihren Kindern sagen, wenn die Lehrkraft da vorne Schwächen zeigt, dann nutzt sie? Nein, es liegt am sicheren Gespür der Kinder für Schwächen anderer und an der Lehrkraft, die das so zulässt. Meine Töchter mochten die strengeren Lehrkräfte sehr viel lieber als die, mit denen man Schlitten fahren konnte. Bitte wenn schon riesige überfüllte Klassen, dann die Lehrkräfte dazu, die sich auch durchsetzen können. Sie begegneten aber auch Lehrkräften, die der Klasse klar machen wollten, dass sie das Abi so oder so nicht schaffen würden. Warum das? Enorm motivierend, oder? Sie begegneten Lehrkräften, die unser elterliches Eingreifen als persönliche Beleidigung begriffen und dann an unseren Kindern billige Rache übten. Ist so etwas in Ordnung? Eine meiner Töchter hatte eine Lehrkraft, die ihr eiskalt sagte, dass sie zwar die einzige gewesen war, die etwas gewusst hätte, das aber, wortwörtlich „ Scheiße“ war, obwohl sie die Antworten nie korrigiert hat. Was ist das für ein Benehmen? Warum tut das eine Lehrkraft? Nichts, absolut nichts rechtfertigt einen solchen Umgang eines Lehrers mit einem Schüler, einer Schülerin. Ich habe so einige Lehrkräfte erlebt, wirklich gute, tolle, aber auch richtige Idioten.
Das, was mir am meisten verschlossen blieb ist manche Notengebung. Da gibt es Schüler, die melden sich einmal im Halbjahr, kommen dann auch dran, geben die korrekte Antwort und haben dann für den Rest der Zeit ihre Ruhe. Ihr Lohn für diese eine Antwort eine 2. Andere, ebenso gut im Schriftlichen bekommen für die gleiche mündliche Leistung nur eine 4. Was bitte soll das? Das nimmt doch den Schülern jede Lust, es frustriert. Und bitte nicht immer gleich die Eltern auf den Plan rufen ausgleichend einzuwirken. Bitte, liebe Lehrer, guckt mal selbst wie ihr das in Ordnung bringt, einfach gerechter sein.
Noch eine Frage, die mich beschäftigt hat: Lehrer scheinen niemals selbst Schüler gewesen sein. Wie sonst lässt sich so manche Aufgabenstellung in den Klausuren erklären? Haben die ihre gesamte Schulzeit vergessen? Ausgelöscht? Ich werde nie verstehen wieso Klausuren Haken und Ösen haben müssen oder Formulierungen in der Fragestellung, die Schüler verunsichern. Klare Aufgabenstellung, stoffbezogen und keine Fallen eingebaut. Das wäre gut.
Am Ende dieser langen Jahre bleibt mir zu sagen, vergesst Pisa, was kümmert uns das? Fangt an das Schulsystem von unten zu reformieren. Geht dabei einen geraden Weg, ohne Blicke auf Städtevergleiche, Ländervergleich und was auch immer. Schafft kleine, überschaubare Klassen, bezahlt die Lehrer besser, sortiert Stoff, den kein Mensch mehr wissen muss, aus, gestaltet den Unterricht interessant, zeitnah. Für den Deutschunterricht wünsche ich den nachkommenden Generationen auch mal Harry Potter im Unterricht behandeln zu dürfen, zumindest Auszüge daraus und nicht immer Dramen oder irgendwelche Problemkisten, die kein Mensch interessieren.
Ich wünsche mir Lehrer, die bedingungslos für ihre Schüler nicht nur Respektpersonen sind, sondern auch Kumpel und Kamerad sein können. Was hindert sie daran Respekt zu verlangen, wenn es Zeit für Respekt ist und Kumpel zu sein, wenn die Zeit dafür gegeben ist. Kinder sind clever und wissen, wann sie was annehmen können. Vor allem aber müssen auch die Kinder respektiert werden. Ich begreife Kinder als etwas sehr Wertvolles, vor allem als unsere Zukunft. Vielleicht sollten Politiker und Lehrer das auch begreifen.
Zu einer Schulzeit gehört alles, gute Noten, auch schlechte, anwesend sein, aber auch schwänzen, Streit mit den Lehrern, aber auch wieder vertragen, auch einen Tadel, den eine meine Töchter bekommen hat, fand ich in Ordnung. Auch das gehört dazu, wie kämpfen und verlieren, aber auch gewinnen für Lehrer wie Schüler. Eine meiner Töchter mochte die Schule, die andere hasste sie.
Alles hat ein gutes Ende genommen, meine Töchter haben im Abstand von einigen Jahren ihr Abitur bestanden. Nie wieder sich über inkompetente Lehrer und die Schule ärgern, nicht über einen Rektor, der sich schwer tat, den Kindern hitzefrei zu geben. Aber auch nie wieder die Lehrer zu treffen, die man mochte, die man respektieren konnte. Es ist zu Ende und ich wünsche mir, dass es besser werden wird, dass mehr Geld in die Schulen investiert wird, vielleicht denkt ja der eine oder andere nach, dass die Kinder, die wir da durch schicken, die Krankenschwestern, Altenpfleger, Ärzte und Ärztinnen, Baggerfahrer, Frisöre, Schneider,Finanzbeamte, Lehrer, Kaufleute, Politiker und weiß ich noch alles von morgen sind und man sich meist zwei Mal im Leben begegnet.
Hey, Gut geschrieben. Ich stand sogar Nachts an einer Buchhandlung an, um mit als erste den damals neusten Harry Potter Band lesen zu können.
Ich schließe mich meiner Vorrednerin an. Ich wünschte, dieses Statement würden hier sehr viele Lehrer und für das Bildungswesen Verantwortliche lesen. Ich habe Schule ähnlich erlebt, sowohl bei mir selbst als auch bei meinen Töchtern. In Bayern ticken die schulischen Uhren zusätzlich rückwärts. Aber nach der Schule geht das Elend weiter. Die neuen Bachelorstudiengänge sind das nächste Problem. Zum Glück wehren sich die Studenten. Ich hoffe, sie werden mit ihren Streiks und Protesten erfolgreich sein.