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Ist unsere Jugend heute blöder?

Ich bin schon so oft dieser These begegnet und habe mich immer dagegen gewehrt. Aus jahrelanger Erfahrung halte ich gelegentlich, die Betonung liegt wirklich auf gelegentlich, nicht so viel von Lehrern, anwesende Lehrer natürlich immer ausgeschlossen. In letzter Zeit höre ich das aber immer häufiger, und nicht nur von dauernörgelnden Rentnern, die schon über meine Generation geschimpft haben, sondern ganz allgemein. Vor einer Woche habe ich einen engagierten Lehrer getroffen und da habe ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt und mich mit diesem Lehrer meines Vertrauens über diese Frage unterhalten: Ist die Jugend von heute blöder als früher? Ich glaube genauso habe ich gefragt. Klare Antwort: Ja, das ist sie.

Er hat das, für mich, logisch und schlüssig begründet und ich habe darüber nachgedacht und ich befürchte, dass er Recht hat. Ich fange mal ganz von vorne an, damals als ich Kind war: Kein Internet, die wenigsten hatten schon Telefon, wenig Fernseher, den hatten auch die wenigsten, Leben draußen auf der Straße, Leben pur, absolut pur. Eltern, die Höflichkeit und Respekt lehrten und vorlebten, Lehrer, die noch schlagen durften, stopp keine voreiligen Schlüsse bitte, dazu schreibe ich gleich noch etwas, Eltern, denen der Begriff „Rechte der Kinder“ ein Fremdwort war und auch ihnen war mal ab und an die Hand ausgerutscht und schlimmer. Nein, immer noch keine Schlüsse ziehen, ob ich das gut finde oder nicht, ich zähle nur auf. Viele hatten zu der Zeit, als ich zur ersten Klasse gegangen war, noch nicht einmal einen Fernseher und bei Großereignissen bildeten sich vor den Schaufenstern Menschentrauben oder sie versammelten sich in der Kneipe, die einen Fernseher hatte. Antikes Public viewing. Der Verkehr auf den Straßen war überschaubar, wir spielten draußen. Wir haben erfahren wie sie Dreck anfühlt, wie Sommerregen auf der Haut abperlt, sind barfuß durchs Gras gelaufen und haben erfahren, dass das Wasser aus den Hydranten ordentlich kalt sein kann. Im Winter hatten wir in meiner Heimatstadt so viel Schnee, dass das gerade reichte, um im „Pärkl“, gegenüber der Marienkirche, einen Nachmittag lang Schlitten fahren zu können. Am folgenden Tag war der meist schon wieder weg und wenn nicht, dann gab das die zweite Runde. Wir haben schwimmen gelernt, im Nichtschwimmerbecken im Hallenbad, oder im Sommer am Weiher. Wir waren, nach der Schule, irgendwie frei. Nach den Hausaufgaben und wenn man ohne Stubenarrest oder Hausarrest war. War das der Fall, dann kam die Freundin eben nach Hause, denn das war wiederum nicht verboten, wobei ich selbst Arrest in dem Sinn nicht kenne. Das Hallenbad, von dem ich rede, das ist längst schon geschlossen, weil wohl kein Geld für eine Sanierung oder gar einen Umbau vorhanden war/ist. Wir nehmen den Kindern einfach alles das Spaß macht und wundern uns, dass sie auf der anderen Seite nicht mehr schwimmen können und schlimmer noch es ist kein Geld da, um das zu ändern.

Soweit so gut. Dass Lehrer damals schlagen durften, darüber müssen wir uns nicht unterhalten, das war und ist nicht okay, dass Eltern ihre Kinder schlagen auch nicht und fürwahr ich habe das erlebt wie das war, wenn Klassenkameraden sich mit einer „4“ oder gar einer „5“ in einer Klassenarbeit oder im Zeugnis, nicht nach Hause getraut haben. Auch kein Weg. Geld für Nachhilfe war übrigens auch keins da. Ich denke, da sind wir alle einer Meinung, Schläge, Prügel, Gewalt ist keine Lösung. Wie sieht die Lösung aus? Oder eine mögliche Lösung? Was würde ich tun, wäre ich Direktorin an einer Schule? Ich bin technisch nicht so versiert, aber als erstes würde ich „meine“ Schule technisch so ausstatten, dass innerhalb des Gemäuers keine Handynutzung möglich ist. Ein kleiner netter Störsender und finito. Sollen die Eltern klagen, das würde mir hinten vorbei gehen und ich kann mir gut vorstellen, dass man damit durchkommt und wenn Eltern von Notsituationen schwafeln, dass sie ihre Kinder erreichen müssten, dann sollen sie das nach alter Väter Sitte machen: auf dem Sekretariat anrufen. Nein, ich hasse keine Handys, aber Schnaps ist Schnaps und Schule ist Schule und die Verabredungen kann man auch noch danach treffen, wir haben das auch geschafft und das obwohl die Familien damals noch nicht mal alle ein Telefon hatten, musste nie einer seine Party alleine feiern. Möglich, dass der Lehrer, die Lehrerin da vorne dann etwas mehr Aufmerksamkeit bekommt, wenn die Konzentration nicht darauf gerichtet ist, das sanfte Brummen des Handys ja nicht zu überhören. Ich weiß von meinen Kindern, dass sie strenge Lehrer mochten, diejenigen, die sich „fertig“ machen ließen, mit denen kamen sie überhaupt nicht klar, ich denke das spricht für sich. Ich meine und dazu stand ich auch als Mutter schulpflichtiger Kinder: Ich habe nichts gegen Strenge der Lehrer, das ist keine Frage und ich denke, es kann nur besser werden, wenn Kinder Respekt vor Lehrern mit in die Schule bringen, denn, wenn sie zu Hause hören, dass Lehrer eh bekloppt sind, sorry an alle Lehrer, die mir folgen und das lesen, wie sollen die Kinder dann Respekt lernen können?

Ein weiterer Grund mag sein, dass Kinder heute sich viel zu oft selbst überlassen sind, dass sie alleine sind, wenn sie nach Hause kommen, dass sie alleine zu Hause sind, wenn Spielzeit nach den Hausaufgaben ist, in der Großstadt noch sehr viel mehr. Viele Jugendzentren wurden aus Geldmangel geschlossen und in Zeiten, die verlangen, dass beide Eltern arbeiten, in der kein Job mehr sicher ist und die Bezahlung eines einzigen nicht mehr ausreicht, um durchzukommen muss es mehr solcher Zentren geben, in die Kinder gehen können, wo sie sein können, spielen können, die Betonung liegt auf spielen können, wo sie Lücken füllen können, vielleicht auch mal noch Hausaufgaben machen können. Kein Hort im Sinne eines Horts. Keine Social-Media-Interaktion, sondern so banale Dinge wie Tischtennis gegen einen realen Partner, Fußball auf dem Bolzball daneben, Leben erfahren, aus Konsequenzen lernen, Erfahrungen, die helfen – möglicherweise – schulischen Stoff umzusetzen. Kind sein, neugierig sein dürfen, nicht mehr und nicht weniger und keine kleinen Erwachsenen sein müssen, was sie lange schon sind. Nicht zuletzt wird Bewegung Aggressionen abbauen, dem kindlichen Bewegungsdrang nachgeben zu können, sich austoben, mit hochroten Köpfen aus einer Flasche trinken, gemeinsam Siege zu feiern, gemeinsam Niederlagen überstehen. Ich weiß nicht, vielleicht sehe ich das zu rosarot und diese Zeit heute, gibt das einfach nicht mehr her. Oder es ist vielleicht gar nicht notwendig, dass Kinder auch wirklich Kinder sein dürfen?

Die Jugend von heute ist schlecht, taugt nix mehr. Ich habe das während der letzten Jahre so oft gehört und mich immer vor meine Kinder, die nach mir Jugend sind, gestellt, dass ich nachgefragt habe und erfahren musste, dass dem so ist. Die Jugend ist aber nur das, was die vorausgehenden Generationen, Eltern und auch Großeltern geben, zu geben bereit sind, geben können. Fragen beantworten, wenn sie gestellt werden, sofern man das kann, im Zweifelsfall kann man gemeinsam das Internet befragen, denn es schadet nicht, dazu zu lernen, Erfahrungen weitergeben, zumindest darüber reden wie was war, wie es sein könnte, Diskussionen führen, auch wenn das nicht immer leicht ist. Klar ich weiß, das erfordert, dass Eltern auch da sind, um zu diskutieren und nicht gerade ihrem zweiten oder dritten Job nachgehen müssen. Ich weiß nicht wie meine Kinder meine „Erziehungsversuche“ heute sehen, das ist auch nicht so wichtig, aber ich habe den Eindruck, dass zumindest diese Generation noch mit einem blauen Auge davon gekommen ist, denn wenn ich mir überlege, dass, wie ich mir sagen lassen musst, Klassenarbeiten, die vor fünf oder zehn Jahren, sei’s drum, geschrieben wurden, heute gar nicht mehr geschrieben werden können, weil sie zu schwer sind, dann muss ich nach dem Warum fragen. Liegt es an den Kindern, deren Intellekt schlicht zu gering geworden ist, oder liegt es an Eltern, die ihren Kindern gegenüber gleichgültig geworden sind, oder durch die Anforderungen, die an sie selbst gestellt werden einfach nicht leisten können, was sie leisten müssten?

Wir reden hier nicht davon, dass die Frauen an den Herd gehören, das ist nicht der Weg. Das ist nicht das Problem, auch nicht davon, dass es zu viele „Alleinerziehende“ gibt, oder schwule/lesbische Paare Kinder haben können, auch das ist nicht das Problem. Ich meine es ist die allgemeine Gleichgültigkeit, egal von wem. Es wird gelabert und gelabert, Mittel werden gestrichen, Klassengrößen nahmen während der letzten Jahre Dimensionen an, die kann einfach kein Lehrer stemmen, die Kinder können das übrigens auch nicht. Liegt in all dem die Ursache? Ist es ein wenig oder sehr viel von allem? Ich weiß es nicht, ich habe da keine Ahnung. Aber egal worin die Ursache auch immer liegen mag: Lehrer können unmöglich das aufholen, oder richten, wofür Eltern nicht den Grundstein gelegt haben und ich mag es nur ungern sagen: Was die Gesellschaft mit der Abrißbirne kaputt macht.

Es kommt noch ein weiterer Punkt dazu, einzig weil ich weiß wie gecastet wird, lässt mich hoffen, dass es nur halb so schlimm ist, wie es sich darstellt: Wenn ich mich in einen der Bezahlsender verirre und sehe, was dort geboten wird, dann wird mir einfach nur schlecht und noch sehr viel schlimmer ist die Tatsache, dass viele der Jungen das für bare Münze nehmen: Reality Shows oder Script Shows. Das ist allerunterste Schublade und geht alles nur nach Scripten, schön einfach und dumm, die Akteure werden ganz bewusst nach dem Stoff ausgesucht und glaubt mir, die Castingagenturen wissen genau, was sie tun und wen sie für 300 bis 400 Euro, wenn überhaupt, für welche Rolle aussuchen, deren Hoffnung darauf beruht, dass sie entdeckt werden und danach die Rolle ihres Lebens bekommen. Okay, ab und an sieht man welche ein zweites Mal. Alles schön tumb, da muss man nicht nachdenken. Produktionen für wenig Geld, noch weniger Gehalt und das am Fließband produziert.

Ein kleiner Rückblick in meine Fernsehjungend: Am Tag kein Fernsehen, da gab es, ich glaube bis irgendwo so zwischen 16 und 18 Uhr das Programm begonnen hat, ein und unter der Woche so gegen 23 Uhr haben die Ameisen damit begonnen über den Bildschirm zu laufen. Es gab nette Familienfilme, auch Serien, Zeichentrickfilme später, die heute ein FSK 18 bekommen würden. Aber es gab auch Bildungsfernsehen, die ersten Fernkurse flimmerten über den Bildschirm. Ehrlich, da stand einer und hat Schritt für Schritt den Satz des Pythagoras erklärt. Das Programm war einfach besser, war nicht so tumb, auch wenn es Serien wie Dallas und was nicht noch alles gab. Ich weiß nicht, ich meine das jetzt sarkastisch, dass das vielleicht so gewünscht ist, denn ein Volk, das nicht denkt, ist ein folgsames Volk, gib‘ ihnen Bezahlsender samt ihrem Programm und alles wird gut.

Muss man so weit gehen und sagen, dass es nicht besser werden wird, dass es nur eine Handvoll gebildeter Menschen geben wird, die dann die Geschicke des Landes auf Gedeih und Verderb lenken werden? Wobei zugegeben nicht alle Politiker die Weisheit für sich gepachtet haben. Ist es nicht an der Zeit umzudenken? Kinder sind unser wertvollstes Gut, das wir haben, als Eltern, als Lehrer, als Land und auch über unsere Grenzen hinaus? Die Schule kann nicht die Fehler gut machen, die sehr viel früher gemacht werden, die sich wie ein roter Faden durchziehen bis genau diese Kinder selbst Kinder haben und das weiter geben, was sie gelernt haben. Gruseliger Gedanke.

Mag sein, dass die jetzige Generation gerade kein High light ist, aber dieser negative Trend sollte irgendwie aufzuhalten sein. Laßt es Euch und Euren Kindern gemeinsam gut gehen!

 

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