Haltbarkeitsdatum
Alles wäre unkompliziert, gäbe es nicht das Verfallsdatum. Überall gibt es das, auf Nudelpackungen, Konserven, in der Fleischtheke, bei TK-Waren, auf Gläsern mit Kapern ebenso wie auf Cremetiegeln, Tuben und sonstigem, was der Mensch so braucht oder auch nicht.
Vor einigen Wochen gab es das Ergebnis einer Erhebung zu lesen: Junge Leute werfen mehr in den Müll, als das alte tun. Ach herje, ohweh! Woran das liegen mag. Die erste Vermutung war die, dass alte Menschen noch die Kriegs- und Nachkriegszeiten erlebt haben und junge das logierweise nicht leben mussten. Die zweite Erklärung war … keine mehr, denn da fällt niemandem mehr etwas ein.
Ich sehe das so: Wir Alten, irgendwie gehöre ich noch zu der auslaufenden Nachkriegsgeneration, obwohl ich das nie gefühlt habe, denn die „Steine-klopfen-zeit“ war bereits vorbei, als ich geboren wurde. Aber egal so Ausläufer habe ich dann doch schon mitkommen. Vor allem habe ich andere Einkaufzeiten erlebt. Es war damals durchaus ein Privileg, wenn man einen elektrischen Kühlschrank hatte. Im Sommer fuhr zwar immer noch der Pferdewagen mit dem Stangeneis durch. Ich weiß wohl, dass wir auch Stangeneis abegnommen haben, aber ich kann mich am besten Willen nicht mehr daran erinnern, ob wir, als ich geboren wurde schon einen Kühlschrank hatten. Meine Geschwister, die älter als ich waren, kann ich leider auch nicht mehr fragen.
Aber ich kann mich noch gut erinnern, dass meine Mutter zum Beispiel im Sommer die Milch vor das Fenster gestellt hat, um Sauermilch und Dickmilch zu bekommen. Markttage gab es drei Mal pro Woche, zum Metzger ging sie ein Mal oder zwei Mal, je nach dem. Die Milch wurde gebracht, das war direkte Verwandtschaft, die den Milchladen betrieben hat, die Eier und den Käse kauften wir dann wiederum direkt im Laden. Die Einkäufe wurden, wie das damals üblich war, alle zu Fuß erledigt.
Im Übrigen gab es nicht immer alles. Wer Innereien kaufen wollte, der musste am Dienstag beim Metzger stehen, denn am Montag wurde geschlachtet und am Dienstag dann diese Waren verkauft. Wenn sie alle waren, dann waren sie eben alle und man musste auf die kommende Woche warten. Das war so. Kinder bekamen übrigens beim Metzger immer eine Scheibe Wurst, oder ein Stück Wiener, man dachte an die Kunden von morgen.
Auf dem Markt gab es jahreszeitlich angepasste Waren. Im Winter Erdbeeren war nicht, und exotische Früchte erst recht nicht. Ab und an kaufte man den Wurm als Gast mit, was für den Wurm immer schlecht ausgegangen war. Vor allem musste man jedes Geschäft für sich ansteuern, weil Supermärkte noch sehr rar waren, die gab es während der ersten Jahre meiner Kindheit schlicht und ergreifend nicht. Wie das heute ist muss ich nicht sagen: Rein ins Auto und ab in den Supermarkt und die Ware mit Verfallsdatum gekauft.
Wenn ich so darüber nachdenke, dann waren das Waren, die man unbedenklich essen konnte, kaum Dünger, kaum Chemie, das fing damals erst an, dass man chemisch nachgeholfen hat. Wir waren fünf Personen und meine Mutter hatte eine Menge zu schleppen, neben ihrem Job, den sie im Betrieb meiner Großeltern ausübte. Sie hatte Wege zu laufen und wenn man als Kind mitgegangen war, dann war die Vorfreude auf die Wurst beim Metzger groß, aber der Heimweg dann weit, denn er war der letzte Anlaufpunkt.
Haltbarkeitsprobe. Ja, das machten wir damals auch. Wir rochen und fühlten und wussten so, ob das imaginäre Haltbarkeitsdatum überschritten war. Auf Nudeln, Konserven gab es das gar nicht, wenn die Dose sich langsam aber sicher aufgeblasen hat, war es an der Zeit, sie möglichst vorsichtig aus dem Regal und ab in die Tonne zu entfernen. Ich hab Kreischalarm, wenn jemand auf das Haltbarkeitsdatum guckt und dann das Produkt wegwirft, wenn es um einen Tag überschritten ist.
Wurst und Käse sind heute chemisch so behandelt, dass sie weit über das Haltbarkeitsdatum hinweg, essbar sind. Aber das ist von der Nahrungsmittelindustrie so gewollt und ist im Grunde typisch für unser Konsumverhalten: Alles viel zu früh in den Müll werfen. Wenn die Erbsen in der Dose um drei Tage überschritten sind, weg damit und das ist doof und kostet eine Menge Geld. Da kann man als Alternative auch das Fenster öffnen und das Geld rausschmeißen.
Meine Meinung über die Lebensmittelindustrie ist ohnehin nicht die beste. Für mich sind das alles irgendwie Verbrecher, die bei dem, was sie tun oder nicht, denken „Ach, es wird schon irgendwie gut gehen.“ Dicht gefolgt sind diese Leute von dem Ministerium, das für sie zuständig ist. Es kann mir niemand sagen, dass sie nicht wissen, was wo vor sich geht. Wo schummelt wird, wo in Nahrungsmittel hineingegeben wird, was nicht hineingehören und das trifft Politiker aller Parteien. Immer erst, wenn etwas passiert ist, wenn irgendwelche Gifte so nachgewiesen sind, dass keine andere Wahl bleibt, als zu reagieren, tun sie das. Dabei ist das im Vorfeld recht einfach: Schädliche Chemie gehört nicht in Nahrungsmittel, Tiere müssen artgerecht gehalten werden und ihre Wege zum Schlachthof dürfen nicht weiter sein als Xkm. Was ist so schwer daran, dafür wurden sie gewählt, um die Bürger und das, was sie verzehren zu schützen. Punkt.
Fehlt übrigens noch ein Verfallsdatum und da bin ich froh, dass es das nicht wirklich gibt und man diese Ware nicht wegwerfen kann: Meins oder Eures, auch wenn wir wissen, dass wir ein imaginäres haben, das irgendwann greift. Das ist so und damit müssen wir leben, das können wir nicht ändern, während wir aber all die anderen Dinge ändern können: Haltbarkeit via sehen, riechen und fühlen, Aufdrucke weg von den Packungen, dann wird auch nicht mehr so viel weggeworfen werden. Ach ja und noch etwas fällt mir gerade ein: Wenn eine Ware ein kostenloses Plus von 20% für umsonst hat, dann ist das nicht umsonst und in der Kalkulation schon mit eingerechnet. Wenn aber dieser Artikel mit 20% mehr günstiger ist, als die normale Menge, dann ist das nicht witzig und verleitet dazu, das zu kaufen und dann den Rest wegzuwerfen. Das ist etwas, was einfach nicht sein kann und darf. Ich bin ehrlich, ich habe öfter schon die größere Menge gekauft, weil sie im Endeffekt billiger war, das die Menge, die ich eignetlich gebraucht habe. Was habe ich mit dem Rest gemacht? Nun denn, einige Tage im Kühlschrank aufgewahrt und dann, na ja, das getan, was ich nicht tun will: Entsorgt.
Augen auf beim Lebensmittelkauf, ob etwas mehr Rebellionskauf hilfreich ist, ich weiß es nicht, aber so was sollte wirklich nicht sein. Kauft gezielter ein, macht Euch einen Essensplan, dann einen Einkaufszettel, an den man sich dann aber auch strikt hält, hilft gelegentlich. Mir zwar nicht, aber ich versuche es immer und immer wieder. Ich wünsche Euch eine gute Zeit, bewussten Einkauf, ist auch gut für die Haushaltskasse, verlasst Euch auf Eure Sinne und: Laßt es Euch gut gehen.