Gutachten und ihre Verfasser
Es gibt Menschen, die in ihrem Leben Begegnungen mit Gutachtern haben. Das sind Gerichte, egal, ob das nun ein Auto betrifft oder einen Menschen, das sind Autos oder Menschen, weil um sie oder wegen dem, was sie fordern, mit einem Gegner gestritten wird. Dabei spielt es letztendlich kaum eine Rolle was es ist, aber mein Vertrauen in die Gutachtermeinungen ist deutlich erschüttert. Ich bezweifle die Neutralität von Gutachtern, bezweifle ob sie immer auf dem Stand der aktuellen Wissenschaft sind und ob nicht der Umstand, dass man die Hand, die füttert, nicht beißt, die tendenzielle Ausrichtung des erstellten Gutachtens bestimmt.
Ich habe das während der letzten Jahre immer mal wieder gehört und erfahren und dabei Szenen erlebt und gehört, da greift man sich an den Kopf. Dabei ist es vollkommen egal, um welche Institution es geht, das ist einfach haarsträubend. Ein Auto ist eine Sache, das lässt sich gut beurteilen, obwohl, wenn geschickt manipuliert wird, wir erfahren das gerade im Falle VW, Audi und wer da noch alles betroffen ist, wollen wir offen lassen, das kommt darauf an, wie oft und an wen die Software verkauft worden ist. Einen Menschen zu beurteilen, das erfordert mehr, das erfordert nicht nur sehr viel Fingerspitzengefühl, sondern auch aktuelles Fachwissen. Die Betonung liegt dabei auf „aktuell“ und wird direkt gefolgt von „Fachwissen“ und wenn der Patient etwas weiß, was der Doc nicht weiß, so ist der verpflichtet das zu prüfen, muss sich zwingend informieren und hat nicht das Recht das abzutun.
Ich gebe einige Beispiele: Ein Patient hat die Erwerbsunfähigkeitsrente bei der RV beantragt und muss nun deswegen zum Gutachter gehen. Abgesehen davon, dass der Gutachter, nach Aussage der RV darf er das nach seinem Gutdünken tun, Fakten verdreht und falsch in seinem Gutachten schreibt, er legt zu Beginn der Begutachtung eine Szene hin, die seinesgleichen sucht: Antragstellerin nie eine Kur beantragt, nie bei der RV in irgendeiner Art und Weise in Erscheinung getreten, keine OP, keine schweren Komplikationen, dennoch sehr schwer von einer chronischen, daueraktiven Erkrankung betroffen. Sie ist so schwer betroffen, dass der Alltag von der Krankheit bestimmt wird. Er schlägt den Aktendeckel auf und äußert sich folgendermaßen: „Sie sind ja ein weißes Blatt! Da gibt es ja gar nichts! Das habe ich ja noch nie erlebt! Nein, das gibt es nicht!“. Das Angebot die beiden Ordner, die in der Klinik sind auszuborgen, lehnt er ab. Der Gutachter war ein alter Mann, möglich, dass er ein großes Wissen hatte, aber nicht für diese Krankheit und er hat noch nicht mal gefragt weshalb die Antragstellerin nie in Kur gewesen war, nie in Erscheinung getreten war. Nein, danach hat er nicht gefragt. Für ihn war, noch bevor er überhaupt Berührung mit der Frau hatte, dass er im Sinne seines Auftraggebers entscheiden wird. Folge: Er erklärt die Antragstellerin für voll arbeitsfähig, obwohl alles dagegen gesprochen hat.
Der nächste Gutachter, nach Widerspruch und vor einem möglichen Treffen vor dem Sozialgericht, das diesen Gutachter bestimmt hat. Die Antragstellerin hat eine sehr spezifische Krankheit, da sollte man als Gastroenterologe des Vivantes Klinikum am Urban in Berlin mehr wissen, als ein Hausarzt um die Ecke. Aber weit gefehlt. Der ist keinen Deut besser, eher gefährlicher, er verwechselte Inkontinenz mit imperativ und blieb wichtige Antworten auf wichtige Fragen schuldig. Aber immerhin kam er bei gleichem Krankheitsbild und unverändertem Verlauf im Gegensatz zu dem ersten Gutachter zu dem Schluss, dass die Antragstellerin nur noch halb einsatzfähig sein soll, also teilberentet werden sollte und, dass sich das nicht mehr ändern wird. Muss man das jetzt mit Beifall bedenken? Nein, sicher nicht, weil es noch schlimmer kommt. Aber ist es nicht traurig, dass zwei Gutachter, die nicht von der Antragstellerin selbst beauftragt worden sind, bei unverändertem Krankheitsbild, zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind.
Der Clou an der Stelle aber ist der, dass gerade der zweite Gutachter erklärt hat, dass es dem Antragsteller unter seiner Behandlung besser gehen würde, als unter der jetzigen Behandlung bei dessen Ärztin. Mehr noch, er bezweifelte, dass an dem Zentrum, wo er behandelt wird, das überhaupt möglich ist. „Die können das?“ Fachwissen, Kompetenz mit allem was dazu gehört, in diesem Fall anzuzweifeln, das gehört sich für einen Gutachter einfach nicht. Hallo? Was ist das? Das ist Verunsicherung auf unterem Niveau. Wie kommt er dazu das zu behaupten, denn im Konsens und auf Nachfrage, gibt er zu, dass es von ihrer Grunderkrankung unter seiner Behandlung eventuell besser gehen würde, das aber zu Lasten anderer Organe gehen würde, die dann wiederum irreparabel geschädigt werden würden, was er ohne Nachfrage verschwiegen hätte, aber nur mit einem Achselzucken kommentiert. Das ist nur ein „Nebenbeieffekt“, wichtiger aber ist, dass er permanent auf Inkontinenz abzielte, sich an etwas verbissen hatte, was überhaupt nicht gefragt war, was zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion stand, denn imperatives Auftreten eines momentanen Symptoms hat so viel mit Inkontinenz zu tun, wie die Kuh mit der Weinlese. Diese beiden Gutachter sollen also darüber befinden, ob ein Mensch arbeitsfähig ist oder nicht. Dauerhaft und täglich und nicht nur ab und an mal. Beim ersten Gutachter hatte ich den Verdacht, dass dieser sich mit dem Erstellen von Gutachten ein Zubrot verdienen möchte, sich noch etwas zu seiner Rente, die er dicke erreicht hatte, dazu verdient, aber das nötige Fachwissen schlicht und ergreifend fehlt.
Was mir vollkommen unverständlich ist, ist die Tatsache, dass die behandelnden Ärzte überhaupt nicht beachtet werden. Absolut nicht. Das Statement eines HNO-Arztes, der wegen einer vorliegenden Schwerhörigkeit befragt wird und zu dem Ergebnis kommt, dass die Schwerhörigkeit keinen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit hat und das Ergebnis eines Hautarztes, der ebenfalls zu dem Schluss kommt, dass die vorliegenden Sommersprossen keinen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit haben, wiegen schwerer als das des behandelnden Gastroenterologen, der seine Patientin vor sich sieht, der den Verlauf ihrer Krankheit erlebt hat, weiß was an versuchten Behandlungen lief und was absolut daneben gegangen war und der erklärt, dass kein Mensch so arbeiten kann, das spielt dann keine Rolle. Das ist so absurd, dass es geradezu lächerlich ist, nur kann einem, wenn man das hört das Lachen im Halse stecken bleiben. Das ist einfach nur traurig. Natürlich ist mir klar, dass es auch „Gefälligkeitsgutachten“ von Hausärzten gibt, aber sind die beiden oben nicht auch welche?
Es mag jetzt nicht gut klingen, aber nach all dem, was mir in Zusammenhang mit Gutachten berichtet worden ist, bist du, wenn du eine Erkrankung hast, die ungleich Herz-Kreislauferkrankung, Burn out oder Krebs ist, mies dran, wenn du nicht mehr arbeiten kannst und dann auch noch bei einem Gutachter vorstellig werden musst. Ich habe reichlich Beispiele dafür zu hören bekommen, dass dem so ist. Wenn du keine dieser Erkrankungen hast und nicht mehr kannst, dann musst du dir eine ganze Menge gefallen lassen. Eine Ärztin der RV schrieb als ihr Resümee zur Antragstellung auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente und „nach Prüfung der Unterlagen“, ich formuliere das sinngemäß: Die Krankheit der Antragstellerin lässt sich heute ganz gut mit einem Medikament behandeln. Der krankheitsbedingte Ausfall beträgt nur wenige Wochen. Die Antragstellerin hat ja immerhin während der letzten Jahre fröhlich ihren Angehörigen selbst gepflegt, was sicherlich physische und psychische Belastung darstellte und will jetzt plötzlich nicht mehr arbeiten können. Es ist davon auszugehen, dass der Gutachter (der erste Gutachter, der volle Erwerbsfähigkeit attestiert hat)in seinem Gutachten zu bestätigen ist.‘. Was schließen wir daraus? In ihrer Betrachtung gibt es 1. keine chronisch aktive Krankheit und 2. Pflege nur keinen Angehörigen, das könnte dir selbst schlecht ausgelegt werden. Gut dran ist, wer einen taffen Anwalt an seiner Seite hat, der das umgehend mit nur einem Satz pariert.
Natürlich muss irgendwie geprüft werden, ob einem Antrag auf was auch immer stattgegeben werden kann. Auch benötigen Gerichte Gutachten, um Entscheidungen treffen zu können. Das mag bei Sachen und Gegenständen einfach sein, bei Abläufen kann es schwieriger werden, aber selbst ein Unfallhergang ist einfacher darzustellen und zu bewerten als ein Mensch. Gänzlich ungeeignet sind hierfür die Gutachter, die ihre Begutachtungsobjekte gerade mal eine, höchstens zwei Stunden sehen, die in den Statements der behandelnden Ärzte wahre Gegner und gelogenes Papier erkennen und den zu begutachtenden Patienten gar nicht wirklich wahrnehmen, weil sie während sie zuhören schon überlegen, wie sie der fütternden Hand gerecht werden können. Im Übrigen gibt es auch heftige Unterschiede in der Beurteilung, der Verfahrenslänge und der Leichtigkeit mit der du einen Antrag bewilligt bekommst, was auch abhängig von dem Bundesland zu sein scheint, in dem du gerade lebst.
Gutachter untereinander sind sich auch nicht grün, denn wie könnte es sonst geschehen, dass ein Gutachter anders begutachtet, als der vorausgegangene? Wieso begutachtet der Gutachter der klagenden Partei anders als der Gutachter der beklagten? Wieso ist das so? Belegt das nicht die These der fütternden Hand? Welch‘ ein Unsinn ist das? Wenn ich ein Gutachten in Auftrag gebe, dann erwarte ich die Wahrheit, vor allem dann, wenn es darum geht einen Klageweg beschreiten zu müssen. Was hilft mir ein nettes Gutachten, das mit Recht gibt, das aber locker zerpflückt werden kann? Vielleicht haben Gutachten dort eine Grenze, wo es um Menschen und nicht um Bilder oder Autos, oder sonstige durch Technik bestimmte Vorgänge geht, sondern um Individuen, von denen jeder anders denkt oder fühlt. Vielleicht haben Gutachten dort eine Grenze, wo Menschen von Menschen begutachtet werden, deren Wissensstand einfach nicht mehr aktuell ist. Vielleicht haben Gutachten dort eine Grenze, wo Gutachter nur noch beschriebenes Papier sehen, den Mensch aber nicht mehr und fehlt dieses Papier, dann oh weh! Vielleicht haben Gutachten dort eine Grenze, wo Menschen glauben „Gott in Weiß“ zu sein, besser als die Kollegen behandeln zu können, obwohl das Weiß dieses Gottes nur noch in stumpfem Grau erscheint.
Ich wünsche Euch eine gute Woche, eine gute Zeit, möglichst ohne Gutachter! Laßt es Euch gut gehen!