Es ist nicht sehr schwer …
… zu Hörer zu greifen, um sich einen Termin geben zu lassen, sagt der Oberkurt.
Vor dem Faschingswochenende habe ich davon erzählt, dass meine Schwester, die nicht zur Vorsorgekoloskopie gegangen war, an Darmkrebs verstorben ist. Jeder Mensch, der in seinem Leben einen anderen, geliebten Menschen verloren hat weiß um den Schmerz, den die leben müssen, die zurück blieben. Vor allem dann, wenn dieser Tod so früh und so sinnlos war. Sie hätte so gerne noch gelebt, ihre Firma in die sie so viel Herzblut investiert hat, begann richtig gut zu laufen, sie wohnte in einem hübschen Haus, hatte einen erwachsenen Sohn. Alles war bestens, alles war gut. Und dann das!
Somit bin ich bei mir angekommen. Ich gestehe wäre sie nicht gestorben, wer weiß ob das nicht mir dann passiert wäre. Ich habe eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung. Ich gehöre in die Gruppe der selbstständigen, autarken Patienten, die es ihrem Arzt nicht immer erlauben sie richtig einzuschätzen. Dabei ist es doch so einfach das zu tun. Ich hatte bis zum Tod meiner Schwester kaum Spieglungen machen lassen. „Weshalb?“ habe ich gesagt. „Wenn da eine Entzündung ist, dann sieht er das auch bei einer Sonografie.“. Man sollte das auch nicht nachahmen, aber meistens behandle ich meine Wehwechen, die mir mein Morbus Crohn dann doch mal beschwert meist selbst. Ich hasse es in Wartezimmern zu sitzen, nicht dass ich da nervös werden würde, nö, das ist einfach unproduktiv. So war bis dato immer nur dann zu einer Spiegelung gegangen, wenn es gar nicht anders ging. Das war es dann in der Hauptsache auf diesem Blog zu meiner Krankheit.
Sie war also gegangen, meine Schwester. Einfach so. Knapp drei Monate waren ihr von der Diagnose bis zu ihrem Tod geblieben. Zeit hatte sie keine mehr. Keine, um sie mit ihrer Familie verbringen zu können. Keine, um sie mit unserer Mutter zu verbringen und keine, um sie mit mir zu verbringen. Gerade diese letzten beiden Tage, als sie das letzte Mal zu Hause war, waren uns so wichtig geworden. Sie als große Schwester konnte erkennen, dass auch eine kleine Schwester einfach nur da sein konnte. Als sie gegangen war, fühlte ich neben meiner Trauer auch Zorn. Ich war so zornig auf sie, wie konnte sie das ihrer Familie antun? Wie konnte sie das mir, wie konnte sie das unserer Mutter antun? Das war sicher vollkommen blödsinnig so zu denken, denn sie hätte so gerne weiter gelebt.
Es schmerzt immer, wenn ein Mensch geht, den man liebt, aber wenn innerhalb eines halben Jahres zwei sehr nahe Menschen gehen müssen, dann kommt man an den Rand dessen, was man ertragen möchte, ertragen kann. Aber wie heißt es dann immer: das Leben geht weiter. Kein Satz, den man in dieser Zeit hören möchte, aber es ist einfach so: das Leben geht weiter.
Einige Wochen nach ihrem Tod, ich weiß nicht mehr genau wann das war, es spielt auch keine Rolle, bin ich dann endlich selbst zur Koloskopie gegangen. Was soll ich sagen? Glück gehabt, denn mein Doc hat einige Adenome unterschiedlicher Größe gefunden und gleich entfernt. Ich habe keine Ahnung mehr wie viele, wie groß, das ist auch egal. Allein wichtig ist, dass ich da mit einem blauen Auge davon gekommen bin. Und wenn ich das vorletzte Mal geschrieben habe, dass da immer jemand ist, den man weinend zurücklässt, so habe ich daran zuvor auch nie gedacht.
Nun gehe ich jährlich, na ja fast jährlich zur Koloskopie, ich schlage immer mal den einen oder anderen Monat heraus, weil ich mir wirklich Schöneres vorstellen kann als eine Kolo machen zu lassen. Nicht wegen der Untersuchung selbst, die verschlafe ich und das ist gut so, sondern wegen der Vorbereitung dazu. Das ist nicht nur für mich, sondern für die meisten Patienten das größte Problem, außer für meinen Vater, der haute das weg ohne mit der Wimper zu zucken.
Ich kann es nicht trinken, lasse es mir über eine Magensonde reinlaufen, aber selbst da tu ich mir sehr schwer und habe ständig damit zu kämpfen, dass das Gebräu nicht den falschen Weg nach draußen geht. Aber mit ausreichend MCP-Tropfen (ich glaube gespritzt wirkt das besser!) geht das. Es muss gehen, denn ich möchte die Sicherheit haben, dass der Doc tatsächlich alle Polypen, Adenome und wie sie heißen mögen, findet und entfernt. Irgendwann komme ich aus diesem jährlichen Rhythmus raus, dann werden das zwei Jahre sein und wer weiß vielleicht vergrößert sich der Abstand nach und nach und wenn nicht, dann ist auch gut.
Es ist nicht schwer zu Telefon zu greifen, um sich einen Termin geben zu lassen.