Bilder und Facebook
Ich habe ein Foto geteilt, das unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen hat. Interessante Anmerkungen bis hin zu der Kritik, dass ich das Bild niemals hätte teilen dürfen. Ich habe es aber geteilt. Ob es klug war? Nun gut, das will ich dahin gestellt lassen. Vielleicht ist das Bild in sich eine Montage, ein Fake oder gar gestellt. Das weiß ich nicht.
Das Bild zeigt eine korpulente Frau, die ein viel zu kurzes Oberteil trägt, an dessen unterem Rand ihre Brüste zweifelsfrei zu sehen sind, ihr Rock ist viel zu kurz und gibt den Blick frei auf unschön geformte Beine. Rock und Oberteil haben ihre eigene Wirkung auf mich. Die Frau aber strahlt für mich Selbstbewusstsein aus. Die Frage wurde aufgeworfen, dass sie obdachlos sein könnte. Meine Anmerkung, dass sie dafür zu wenig Gepäck mit sich führt und zu gepflegt aussieht, wurde entgegengehalten, dass Frauen, die obdachlos sind sehr wohl auf ihr Äußeres achten. Das Bild indes spricht eine andere Sprache, denn, wenn sie ohne Dach über dem Kopf wäre und trotzdem auf ihr Äußeres achten würde, die Haare scheinen gepflegt, das Gesicht auch, warum in Gottes Namen trägt sie Kleidung, die ihr nicht passt? Das widerspricht dem, dass obdachlose Frauen sehr darauf achten, dass sie gepflegt sind.
Warum dann, geht sie so auf die Straße, wenn das nicht gestellt ist? Ob sie ein psychisches Problem hat? Ihr Gesicht drückt für mich Selbstbewusstsein aus, nicht Unterwürfigkeit, nicht Verzweiflung. Das ist ein rein persönliches, subjektives Empfinden, mein Empfinden, dennoch weiß ich das nicht, kann ich es nicht beurteilen und ich möchte auch nicht von einem Bild aus, darüber urteilen wollen, ob Menschen ein psychisches Problem haben oder nicht. Vielleicht findet sie sich so, und zwar genau so, einfach nur schön. Egal, ob sie obdachlos ist oder ein Schloß besitzt, Tatsache ist, dass sie, nach unser aller Empfinden, nicht in den Spiegel geschaut hat, bevor sie losgegangen war. Die Reaktionen von Häme bis hin zu Protest wegen des Teilens des Bildes zeigen das. Ob es fair ist, dass sie nun Objekt der Häme geworden ist? Ist sie das wirklich? Das weiß ich nicht, denn nicht hinter jedem Teilen eines merkwürdigen Bildes kann Häme stecken, muss nicht und in gewisser Weise hat das Teilen ja auch etwas erreicht und zwar das, dass man sich mit dem Bild beschäftigt hat, nicht über es hinweggegangen ist. Mal etwas anderes als Kuchen und Comics zu teilen oder zu posten.
Bleibt die Frage nach dem Warum. Warum habe ich es geteilt? Warum geht sie so auf die Straße? Warum wurde sie fotografiert? Warum wurde es überhaupt eingestellt? Vielleicht hat sie kein Problem mit ihrem Körper, nimmt ihn so wie er eben ist, auch wenn das, was sie auf ihm trägt nicht das ist, was man erwartet. Selbst als Obdachlose kann sie niemals gezwungen sein, sich so zu kleiden. Vielleicht hat sie Geld dafür bekommen? Vielleicht fand sie sich im Spiegel schön? War es ihre Entscheidung das Haus, egal welches so zu verlassen oder hatte sie keine Wahl, was ihre Kleidung anging? Vielleicht hat sie Geld dafür bekommen das zu tun, eben um diese Aufnahme machen zu können, ist danach um die Ecke gegangen und hat sich wieder umgezogen. Wissen wir es? Vielleicht muss sie sich prostituieren, musste das schon ein Leben lang tun, hat eine ganz andere Einstellung, wie wir sie niemals erwarten würden und ist auf dem Weg zur Arbeit. Vielleicht, vielleicht…
Was bleibt ist die Feststellung, dass wir grundsätzlich nichts über die Entstehung des Bildes, die Motivation der Frau wissen. Ich habe es geteilt, nicht aus Häme, das steht mir nicht zu darüber zu urteilen, auch wenn mein Kommentar zu dem Bild eindeutig zu sein scheint. Ich würde unter keinen Umständen so vor die Tür gehen und auch eine obdachlose Frau muss das nicht tun. Tut sie mir leid? Weiß ich nicht, weil ich ihren Hintergrund gar nicht kenne. Tut sie mir leid, dass sie Objekt einer Kamera geworden ist? Ein wenig schon, aber grundsätzlich verstehe ich es als Warnung einen prüfenden Blick in den Spiegel zu werfen, bevor man auf die Straße geht, nicht um anderen zu gefallen, sondern um sich selbst vor solchen Bildern zu schützen. Man muss nicht der breiten Masse entsprechen, muss individuell bleiben können und dürfen. Ohne die Kommentare und Kritiken wäre dieser Artikel heute nicht entstanden. Laßt es Euch gut gehen!