Der Kommissar schluckte die heftige Bemerkung, die er dem Mann entgegen schleudern wollte hinunter, als er erkannte, dass er einen Blinden vor sich hatte.  Stattdessen entschuldigte er sich.

„Entschuldigen Sie bitte…“ begann er. Der Blinde schüttelte nur den Kopf, winkte ab und verließ das Bistro. Der Kommissar trat kopfschüttelnd ein: „unfreundlicher Zeitgenosse.“ brachte er gerade noch hervor, blieb stehen und schaute dem Blinden mit seinem Hund nach.  „Irgendetwas … ach was, nun hörst du schon Flöhe husten.“ murmelte er.

„Das finde ich auch. Guten Morgen, mein Lieber, was treibt dich am frühen Sonntag zu mir.“ wurde er von Frieda herzlich begrüßt. „Bist du etwa wegen der Leiche, die gefunden wurde, schon so früh unterwegs, oder kommst du wegen mir?“.

Kopfnickend, aber lachend antwortete der Kommissar: „Woher weißt du das schon wieder?“,  wohlwissend, dass Friedas Bistro der Umschlagplatz aller Stadtnachrichten war.  Hier wurden alle Informationen, ob wichtig oder unwichtig, umgeschlagen und nach Manier der stillen Post weitergegeben. Wer wollte, dass etwas verbreitet wurde, der kam hierher. Nicht Frieda selbst war es, die tratschte, sondern ihre Gäste. Man musste sein Anliegen laut genug und im Vertrauen erzählen, irgendeiner der Gäste trug das schon weiter. Frieda war das nicht immer recht und so manch wütender Ehemann und auch zornige Ehefrau passten sie ab, um ihr den Garaus anzudrohen, wenn noch ein Mal etwas über, natürlich unwahre außereheliche Kontakte, über sie verbreitet wurden. Auch Unterhaltszahlungssäumige traten schon bei ihr auf, bezichtigten sie der Lüge. Das hat inzwischen nachgelassen und Frieda Integrität bescheinigt. Seit Tagen war nun die Mordserie Stadtgespräch und es blieb kein Raum für das Weitertragen interner Informationen der Müllers, Meiers und Schulzes.

„Du weißt doch: Frieda weiß alles. Wie immer?“

„Ja, wie immer, mir macht das immer einen Mordsappetit, wenn ich so übel zugrichtete Frauenleichen in der Morgenstunde sehe.“ flüsterte er ihr zu, sich verschwörerisch umschauend, damit ja niemand der anwesenden Gäste ihn hören konnte. Das wäre sehr peinlich gewesen, stünde am nächsten Morgen im Stadtanzeiger „Kommissar immer nach Leichenfund hungrig“.  Frieda entfernte sich lachend um die Bestellung der Küche weiter zu geben. Der Kommissar schnappte sich die  Sonntagszeitung und steuerte den einzigen freien Tisch an. Aus purer Gewohnheit musterte er die Gäste, alles Spätheimkehrer, es war Stadtmauerfest letzte Nacht, da blieben immer welche bis zum nächsten Morgen übrig.

                                                                            *

Drei Häuser weiter wurde Emmi vom schrillen Läuten ihres Weckers aus ihrem schönsten Traum, gerissen. Sie war in einem Märchen die Prinzessin und gerade als der Prinz sie aus den Klauen des bösen Ritters befreien wollte, musste dieser blöde Wecker die Szene beenden. Aber es hilft alles nichts sie musste aufstehen. Sie hat zugesagt auf dem Stadtmauerfest zu helfen. Das tat dem Geldbeutel einer armen Studentin gut. Sie bediente im Bierzelt, verdiente ganz gut und bekam obendrein hin und wieder ein Extratrinkgeld.  Sie wollte bevor sie gegen Mittag zur Arbeit ging, noch eine Runde joggen, auch wenn das Schleppen voller Bierkrüge ein anstrengender Job war, brauchte sie das morgendliche Joggen. Sie zog ihre Sportklamotten an, nahm ihren Hausschlüssel, packte ihren i-Pod in den Bauchpack, schaltete ihn ein, klickte bis zu ihrem Lieblingslied, steckte sich die kleinen Kopfhörer in ihre Ohren ein und verließ ihre Wohnung. Gleich rechts herum in Richtung Park lief sie los.

Sie hatte den Park noch nicht erreicht, als sie einen Lieferwagen mit offener Heckklappe stehen sah, davor kniete ein Mann, der sich ein Tuch an die Stirn hielt aus dem Blut hervor sickerte. „Auch das noch!“ denkt sie und weil sie das gar nicht anders kennt, läuft sie gleich zu Mann hin um ihre Hilfe anzubieten.  „kann ich Ihnen helfen? Soll ich einen Krankenwagen rufen? Kommen Sie lassen Sie mich mal sehen“. Sie beugte sich hinunter, um das an den Kopf gehaltene Tuch sanft von der Wunde zu nehmen.

                                                                            *

Der Kommissar hatte sein Frühstück beendet, die Zeitung zu Ende gelesen. Inzwischen waren die Spätheimkehrer wirklich nach Hause gegangen und das Bistro war fast leer. Frieda kam zu ihm an den Tisch, einen Pott Kaffee in der Hand. Sie waren immer noch verheiratet, lebten inzwischen aber in getrennten Wohnungen. Seit dem, verstanden sie sich besser. Gelegentlich hatten sie Sex und freuten sich immer, wenn sie sich sahen.

„Was ist los? Die toten Frauen schlagen in der Stadt mächtig Wellen, sorgen für Unruhe, kaum eine Frau traut sich mehr alleine auf die Straße. Einige wollen den Kopf des Bürgermeisters rollen sehen, deinen übrigens auch.“ Frieda schaut ihren Mann fragend an.

„Ich weiß, das hängt mir alles zu hoch. Es kann doch keine Frau so doof sein und in das Auto eines Fremden einsteigen. Auf der anderen Seite haben wir Null Spuren, nix, nada. Ich komme mir schon vor wie der Volltrottel der Stadt. Der Bürgermeister höchst persönlich taucht bei der Spusi und bei Gerlinde in der Gerichtsmedizin auf.  Du kannst dir vorstellen wie entzückt sie ist. Außer, dass die Leichen furchtbar zugerichtet sind, haben wir keine Spur. Halt, doch, stimmt nicht ganz: ein Zeuge hat kurz bevor er die Leiche fand ein „klack ….klack …klack“ gehört.“ Während er seiner Frau das „Klack“ vorführte, machte seine Hand eine Bewegung vor seinem Kopf, die zum Ausdruck brachte, dass er den Zeugen für bescheuert  hielt. „Der trug eine Fahne vor sich her, vom Feinsten.“

„Was sind das für Frauen, wo ist die Gemeinsamkeit?“

„Keine Ahnung, da ist alles dabei, alle Altersgruppen, alle Größen, alle Berufe, alle Haarfarben. Aber wir werden bald mehr wissen, weil sie uns einen Profiler schicken. Der soll das jetzt richten. Jetzt haben wir noch eine vermisste Frau. Wenn ich darüber nachdenke, dann kidnappt der sich die auf Vorrat. Es scheint, als holt er sich immer dann eine, wenn er eine getötet hat. Er hat immer zwei in seiner Gewalt. Was macht das Schwein? Lässt er immer eine zuschauen, wenn er die andere… nein so pervers kann doch kein Mensch sein.“.

                                                                             *

In der Gerichtsmedizin wurde inzwischen auf Hochtouren gearbeitet, die Spurensicherung hatte jeden Mitarbeiter aus dem Wochenende geholt, der verfügbar war. Gerlinde, die Gerichtsmedizinerin, diktierte das was sie sah gleich in das Mikrofon, das ihr vor der Nase baumelte.