Andere Welten
Mal ehrlich, Hand aufs Herz: wer liest nicht fast täglich sein Horoskop, oder lässt sich gar eins in sein Mailpostfach schicken? Jeder winkt ab, wenn er gefragt, er lese nicht und wenn, dann habe er das gleich wieder vergessen. Und überhaupt wer glaubt denn an so einen Quatsch. Oder gar Wahrsager, Kartenleger und Handleser, alles Scharlatane, niemals kommt das in Frage. Aber insgeheim, so ganz tief im Innern, ehrlich, so ein klein wenig, ein ganz klein wenig, bekommt doch selbst der rationalst denkende Mensch immer mal wieder Zweifel ob nicht doch etwas dran ist. Oder glaubt ihr an das Horoskop?
Es war im Jahr 1976, wenn schon in Erinnerungen schwelgen, dann richtig, als in der Firma, wo ich gearbeitet habe, die Handlesomanie ausgebrochen war. Alle Frauen um mich herum tuschelten und muschelten tüchtig miteinander herum. Es dauerte nicht lange bis der Grund des Tuschelns bei mir gelandet war: Der Handleser. O.k. ich bin allem offen, hörte mir das an, bekam ganz nebenbei die Telefonnummer zugeschoben. Ich tratschte mit meiner Schwester darüber und auch, dass ich das mal gerne erleben möchte. Sie hatte Hanussen, ich glaube Nr. III erlebt und meinte ich solle es machen, sie würde aber mitgehen und wenn der Mist erzählen würde, dann würden wir sofort wieder gehen. Gesagt, getan, Termin geholt und dann lief das so ab:
Mannheim, Hinterhof, das muss ein ehemaliger Hühnerstall gewesen sein. Nun warteten hier eine Couch und zwei Sessel darauf, dass sie mit Gewicht belegt wurden. Ein Tisch und ein Ofen dazu, abgewetzte Teppich rundeten die tierische Behaglichkeit ab. Es begrüßte uns ein älterer Mann, um nicht zu sagen aus meinem damaligen Blickwinkel alter Mann. Er schlurfte uns zu dem Hühnerstall-Wohnzimmer voraus, bat uns herein. Er belehrte uns, dass das vielleicht nicht gut sei, wenn wir uns gemeinsam unsere Zukunft voraussagen lassen würden, weil es ja sein könnte, dass wir uns in denselben Mann verlieben würden. Wir ignorierten das, das konnte nicht sein, weil die Männer meiner Schwester nicht meinem Beuteschema entsprachen und umgekehrt.
Es war interessant, was der Mann zu erzählen hatte. Er sagte mir, damals so um die zwanzig Jahre alt, drei Kinder voraus, auch, dass ich aus meiner Heimatstadt weggehen würde und und und. Er sagte meiner Schwester, die zu diesem Zeitpunkt nie Kinder haben wollte, in einem August Mutterfreuden woraus. Mein Neffe, den sie dann heiß und innig wollte, wurde im August, einige Jahre später, geboren. Das sind nur einige wenige Punkte aus der unendlich lange erscheinenden Zeit, die wir dort verbracht haben. Klar wir haben noch eine Weile danach immer mal darüber gesprochen, es aber dann schlichtweg ad acta gelegt. Man darf nicht damit in Gedanken leben, muss es ablegen. Das haben wir dann auch getan.
Nun zum Horoskop, ich meins am Samstag gelesen, dummerweise. Tagesmotto: Frieden schließen. Hab ich glatt gemacht und das im wahrsten Sinne des Wortes: Ich habe Frieden mit unserem Fußboden geschlossen, auf den ich mich der Länge und der Quere nach hingepackt habe, klar doch mit der Waschschüssel für unsere Oma in der Hand. Natürlich schwamm der Fußboden, ich war naß und mein Knie leicht lädiert und der blaue Fleck den der Türpfosten verursacht hat, wird sich erst später zeigen. Vormittag mit Menschen Frieden schließen. Mit wem? Ich habe mit niemandem Krieg, außer mit der Waschschüssel die bei meinem Sturz ihren Inhalt über mir ergossen hat. Na gut, dann schließ ich eben Frieden mit ihr, Friede ihrer Schüssel.
Nachmittag: Jetzt passiert etwas, was Sie nicht mehr für möglich gehalten hätten: Eine tolle Einladung ereilt Sie, Sie bekommen ein unerwartetes Angebot, Sie heimsen einen Gewinn ein.
Keine Frage habe ich eine tolle Einladung erhalten: die Wohnung lud zur Besichtigung ein. Sie hat sich entschlossen in der Residenz zu bleiben. Also kennzeichnen was entsorgt werden muss, was wohin verteilt werden wird, was sie mitnehmen wird und was deponiert wird. Tolle Einladung, oder? Riecht nach Arbeit. Es sind ja nicht nur die Schränke, nein auch das Geschirr, die Wäsche, das was sie nicht mehr anziehen möchte, Bilder, Alben, Tonnen an Erinnerung, für sie, für mich. Das bedeutet ausräumen, streichen, fertig machen, übergeben. Gewinne am Samstagnachmittag, da müsste man schon mal über den Rummel gehen, ein Los ziehen und den Hauptgewinn, das übergroße Plüschtier in quietschrosa gewinnen. Wie peinlich ist das mit einem solchen Teil ohne kleine Kinder weiter zu gehen. Auf der anderen Seite kann man sich ab einem bestimmten Alter ohnehin nicht mehr blamieren, oder?
Wunschkonzert ist angesagt, egal was, alles wird wahr
Tja was soll ich sagen? Da nehme ich doch glatt den Jackpot, mehr als diesen einen Wunsch hätte ich dann nicht, der Rest erledigt sich dann von alleine. Frau ist ja bescheiden. Vor kurzem gewann ein schottisches Ehepaar den gigantischen Pot von über 170 Millionen Euro. Gleich nachdem ihre Identität bekannt gegeben worden war konnten sie sich vor Aufmerksamkeit nicht mehr retten und flohen erst mal in den Urlaub nach Spanien. Ob sie schon wieder zurück sind? Spontan gefragt wüsste ich natürlich einige Träume zu nennen, deren Umsetzung ins Reale Leben schön wäre, aber was soll‘s? Was nicht ist, das ist eben nicht und die Welt wird sich weiter drehen. Selbstredend, dass ich den Jackpot nicht geknackt habe, sonst wäre ich gerade eben nicht hier, sondern läge irgendwo am Strand.
Es ist herrlich das Horoskop zu lesen, manchmal ist das erst am Abend. Welchen Stellenwert man ihm gibt, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich lese es, freue mich, wenn es gut ist und wenn es schlecht ist, dann vergesse ich es ruckzuck wieder. Es ist wie es ist und es kommt wie es kommen muss.